Ingwer und Krebs – zur Richtigkeit eines Artikels im “Qualitätsmedium” focus.de
In den Online-“Qualitätsmedien” focus.de oder spiegel.de sind ja ständig neue Artikel zu Gesundheitsthemen. Am letzten Wochenende weckte der Artikel “Mittel gegen Krebs? Wenn Ihnen ein Freund dazu rät, seien Sie skeptisch” meine Neugierde. Es geht um Lebensmittel, die laut “Pseudo-Studien” (Wortwahl im Artikel) gegen Krebs helfen können.
Es ist sicherlich löblich, vor Wundermitteln zu warnen bzw. Studienergebnisse kritisch zu hinterfragen. Natürlich gibt es Webseiten, die aus Ergebnissen von in-vitro Studien (außerhalb des meschlichen Körpers, z.b. im Reagenzglas oder mit Zellkulturen) marktschreierische Meldungen fabrizieren. Wenn man sich die zugrundeliegenden Studien dann anschaut – alle Studien sind idR zumindest das Abstract (Zusammenfassung) im Internet frei zugänglich – relativieren sich die Aussagen häufig. Auch bei Tierversuchen ist die Übertragbarkeit auf den Menschen immer kritisch zu hinterfragen, darüber hinaus sind meist die getesteten Dosen (x mg pro kg Gewicht) übertragen auf den Menschen sehr hoch.
Was aber bei focus.de wohl seriös rüberkommen soll, ist bei Kenntnis der Studienlage jedoch schlicht falsch. Ich habe mich aus beruflichen Gründen intensiv mit der Studienlage zu Ingwer (kommt in Kürze als neues Produkt) beschäftigt. Focus online schreibt zu Ingwer und Krebs: “Doch alle Versuche fanden bislang nur im Reagenzglas statt”.
Eine Meta-Analyse zu Ingwer und Gastrointestinal (den Magen-Darm-Trakt betreffend) Krebs zitiert allein 15 in vivo Studien (meist Tierversuche) nur für diese Krebsarten, siehe
Ginger and Its Constituents: Role in Prevention and Treatment of Gastrointestinal Cancer
Es gibt sogar Studien am Menschen, z.B. über die Auswirkungen von Ingwer auf krebsrelevante Biomarker im Darm, siehe:
Zur Studienlage von Ingwer und Krebs habe ich folgenden deutschen Artikel veröffentlicht:
Im Gegensatz zum Stand des Focus-Artikels wird speziell die Kombination von Chemotherapie und Ingwer aktuell in der Krebsforschung diskutiert, siehe:
Ginger augmented chemotherapy: A novel multitarget non-toxic approach for cancer management.
Die Gabe von Ingwer während der Chemotherapie, aufgrund der antiemetischen (gegen Übelkeit und Erbrechen) Wirkung von Ingwer, wurde bereits in Studien untersucht, siehe:
Um es einmal deutlich zu sagen, obwohl es aus meiner Sicht selbstverständlich ist, kann es bei der Betrachtung der Wirkungen von Lebensmitteln nicht darum gehen, ein Wundermittel zu finden, welches klassische Behandlungen ersetzen kann oder unhaltbare Hoffnungen zu wecken.
Die Aussage im Focus Artikel zeigt aber, dass es bei den Qualitätsmedien wohl an Zeit mangelt, intensiv zu einem Thema zu recherchieren. Die Qualität der Aussagen ist dann dementsprechend.
Ich kann jedem nur raten, selbst zu recherchieren und zumindest die Studienzusammenfassungen selbst zu lesen, um sich eine fundierte Meinung bilden zu können. Wer des Englischen nicht so mächtig ist, kann mit google-Translate arbeiten.
Der Beitrag wurde am Dienstag, den 19. April 2016 um 13:07 Uhr veröffentlicht und wurde unter Gesundheit, Nahrungsergänzung, Therapien abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.
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